Schweinfurt zu Gast in Tarija

Franken davon zu überzeugen, dass auch ein nicht-fränkischer Wein schmecken kann, ist nicht selten eine Mammutaufgabe. “Kammer dringn!” (auf Hochdeutsch in etwa “Das kann man ja sogar trinken.”) kommt schon fast einem Ritterschlag für das betreffende Getränk gleich. Im Fall der Schweinfurter Delegation, die von Ende März bis Anfang April im Rahmen der neu entstehenden Klimapartnerschaft ein paar Tage in Tarija verbrachte, gab es zumindest Gelegenheit(en), sich auch diesem interkulturellen Aspekt der Önologie zu widmen.

Neben der Zweiten Bürgermeisterin von Schweinfurt, Sorya Lippert, reisten auch der berufsmäßige Stadtrat, Ordnungs- und Umweltreferent und Werkleiter der Stadtentwässerung, Jan von Lackum, Sophie Beeskow, die als Landschaftsarchitektin bei den kommunalen Servicebetrieben arbeitet, und Dr. Erich Ruppert, Raumplaner und Mitglied der Gruppe "Klimapartnerschaft" innerhalb der Lokalen Agenda 2030 und damit Vertreter der Zivilgesellschaft, in den Süden Boliviens.

Die Schweinfurter Delegation vor dem Schulbus des Colegio Alemán del Sud (v.l.n.r.):
Sophie Beeskow, Sorya Lippert, Erich Ruppert und Jan von Lackum © Lydia Stecher

Leicht könnte man nun argumentieren, wie es denn zusammenpassen kann, dass zum Schutz des Klimas Flugreisen angetreten werden, die ohne die Klimapartnerschaft nicht angefallen wären. Das ist aber zu kurzfristig gedacht - nicht nur, weil der CO2-Ausstoß der Flugreisen aus BMZ-Mitteln kompensiert wird. Auf mittlere und lange Sicht kann auf kommunaler Ebene mit der Expertise verschiedener Bereiche und unter Einbeziehung der jeweiligen Bevölkerung sehr viel mehr für den Klimaschutz getan werden als ohne diesen Austausch und Motivationsschub: “Der Klimawandel ist ein globales Phänomen, dem global begegnet werden muss. Dabei muss der globale Norden als Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels den globalen Süden unterstützen. Das geht durch kommunale Partnerschaften effizienter als über staatliche Hilfsprogramme. Man kann mit großem Praxisbezug anhand konkreter Projekte voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Klimaschutzmaßnahmen finden in erster Linie auf kommunaler Ebene statt, weil dafür die jeweiligen örtlichen Verhältnisse essentiell sind. Auch ist es für Kommunen deutlich leichter, die jeweilige Stadtgesellschaft zum Mitmachen zu animieren.” meint Jan von Lackum.

Auch Erich Ruppert ist in Sachen globaler Klimaschutz der Meinung, dass es “höchste Zeit [wird], dass sich was ändert.” Für Schweinfurt sieht er vor allem in den Bereichen CO2-Einsparungen durch sofortige Photovoltaik-Programme und Wärmedämmung der Gebäude und den Bau von Zisternen gegen Überschwemmungen bei Starkregen Potenzial beim Klimaschutz. Daneben liegen ihm die “Grünen Bänder” seit langem am Herzen, als ein Netz aus Grünflächen, das den urbanen Raum durchzieht, das Mikroklima verbessert und der Fauna das Durchdringen und Durchqueren der Stadt erleichtert.

Nach offiziellen Mitteilungen der Stadt Schweinfurt besteht zu diesem Zeitpunkt die “bedeutsamste Aktivität [...]  in der Kontaktaufnahme und im Aufbau von Vertrauen auf den verschiedenen Ebenen”. Ein gegenseitiges Kennenlernen der involvierten Mitarbeiter der Stadtverwaltungen und der zivilgesellschaftlichen Akteure gehört hier genauso dazu wie “das Wissen über die jeweils anderen politischen Strukturen, wirtschaftlichen Gegebenheiten, Sprachkompetenzen.”

Umweltsekretär von Tarija, Paul Castellanos Mealla (2. v.l.) und Ordnungs- und Umweltreferent
von Schweinfurt, Jan von Lackum (2. v.r.) im Gespräch beim Ortstermin © Lydia Stecher

Aus deutscher Perspektive stehen für die künftige Zusammenarbeit, wie es Jan von Lackum zusammenfasst, folgende Aspekte im Vordergrund: “Wichtig ist mir, dass wir die Projekte unterstützen, die auch aus Sicht der Tarijeños wichtig sind. Nur dann haben wir Erfolg in der Umsetzung und werden nicht als belehrend wahrgenommen. Konkret heißt das nach dem Besuch in Tarija für mich: Unterstützung bei der Wiederinbetriebnahme einer Wasseraufbereitungsanlage durch Beratung, wie das belastete Wasser des Stausees entgiftet bzw. vorbehandelt werden kann, Unterstützung bei der Frage der Müllbehandlung (Ablösung der bisherigen Mülldeponierung durch ein Müllkraftwerk, das gleichzeitig Strom liefert), Wissenstransfer beim Betrieb und der Weiterentwicklung von Kläranlagen (die neue Kläranlage in Tarija zum Beispiel ist auf einem hohen technischen Standard, könnte aber auch zur Stromproduktion genutzt werden). Aber auch: Die Unterstützung bei der Realisierung des „Grünen Bandes“ in Teilabschnitten, wie der Quebrada Sosa.”

Die Müllhalde von Tarija hat keinen guten Eindruck hinterlassen: Sorya Lippert,
Sophie Beeskow und Jan von Lackum bei der Begehung © Lydia Stecher

Daneben spielt auch der Bildungsbereich bei der Erreichung von Klimazielen eine große Rolle. Deshalb wurden schon frühzeitig erste Kontakte zwischen dem Olympia-Morata-Gymnasium und dem Colegio Alemán del Sud hergestellt, die sich speziell dem Thema Schulgärten zuwenden werden. Auch ein “Klima-Hausaufgabenheft” für die bolivianische Schule ist in Anlehnung an das deutsche Modell in Planung. Um die Kontakte im Bildungsbereich noch zu verstärken, wird ein Kontakt zwischen der Universidad Privada Domingo Savio und der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt im Bereich erneuerbare Energien angestrebt.

Mitglieder der Stadtverwaltung von Tarija und die Schweinfurter Delegation zu Besuch
bei der Universidad Privada Domingo Savio © UPDS

Erich Ruppert liegt darüber hinaus der Aufbau einer Lokalen Agenda 2030-Gruppe in Tarija am Herzen, die sich als Counterpart zur Schweinfurter Gruppe in die Projekte der Klimapartnerschaft einbringen könnte. Auch will er die Hoffnung nicht aufgeben, kleinere Winzer bzw. Winzergenossenschaften zur Steigerung der Bodenfeuchtigkeit und damit zum Klimaschutz von ökologischem Weinbau zu animieren.

Die wenigen Tage waren also nicht nur gut gefüllt mit Terminen bei verschiedenen Stellen der städtischen Verwaltung, Besichtigungen von Kläranlage, Mülldeponie, und (potenzieller) städtischer Grünflächen, sondern auch bei anderen Institutionen und Akteuren. Dennoch reichte die Zeit, um zusammen mit 80 Kindergartenkindern entlang der Av. de la Integración ca. 100 Bäume zu pflanzen, das Zentrum für Umwelterziehung CEA und das Colegio Alemán del Sud zu besuchen, die Honorarkonsulin, Lilo Methfessel, kennenzulernen und - im Falle der Zweiten Bürgermeisterin - zum Ehrengast der Stadt Tarija ernannt zu werden.

Links: Ernennung der 2. Bürgermeisterin von Schweinfurt Sorya Lippert (3. v.l., hier mit Ehemann) zum Ehrengast Tarijas im Beisein des Bürgermeisters Jhonny Torres Terzo (2. v.r.) im Salón Rojo des Rathauses von Tarija. Rechts: Der Bürgermeister von Tarija, Sorya Lippert und Umweltsekretär Paul Castellanos Mealla © Lydia Stecher

Was allen Mitgliedern der deutschen Delegation von Tarija in Erinnerung an Tarija bleiben wird? Das viele Grün im Stadtgebiet, die Herzlichkeit und Gastfreundschaft und die Hoffnungen, die in die Klimapartnerschaft gesetzt werden. Eine gute Basis für das nächste Treffen im Nordsommer dann wieder in Schweinfurt, um die Klimapartnerschaft voranzutreiben, weitere konkrete Schritte und gemeinsame Projekte festzulegen und die Kontakte auf kommunaler und persönlicher Ebene zu konsolidieren.

Die brennendste Frage bleibt aber vorerst unbeantwortet: Wird Schweinfurt nun künftig Importeur bolivianischer Weine werden? Das Schwierigste an dem Unterfangen dürfte wohl die Frage sein, welchen Wein es dann zu importieren gelte. Tannat wäre wohl in jedem Fall mit dabei, aber bitte nicht von irgendeinem Weingut. Immerhin sind sich die Tarijeños und die Franken einig, dass Tannat eben nicht gleich Tannat und Silvaner nicht gleich Silvaner ist… das verbindet.


Claudia Ullrich




Presseberichte zur Klimapartnerschaft und dem Besuch der Schweinfurter Delegation in Tarija in bolivianischen Medien:

https://elpais.bo/tarija/20230330_alcaldia-de-tarija-y-80-ninos-inician-la-campana-crezcamos-juntos.html (vom 30.03.2023)

https://elpais.bo/tarija/20230401_las-alcaldias-de-schweinfurt-y-tarija-firmaran-un-convenio.html (vom 01.04.2023)

https://elpais.bo/tarija/20230404_alcalde-logra-350-mil-euros-para-proyectos-ambientales-en-tarija.html (vom 04.04.2023)

https://www.upds.edu.bo/upds-sede-tarija-recibe-a-una-delegacion-de-schweinfurt-alemania/


Presseberichte zur Klimapartnerschaft und dem Besuch der Schweinfurter Delegation in Tarija in deutschen Medien:

https://sw1.news/lokales/kommunale-klimapartnerschaft-mit-tarija-in-bolivien-antrittsbesuch-der-schweinfurter-delegation-in-tarija/ (vom 25.04.2023)

https://www.schweinfurt.de/rathaus-politik/pressestelle/buergerinformationen/10991.Kommunale-Klimapartnerschaft-mit-Tarija-in-Bolivien.html (Stadt Schweinfurt vom 03.05.2023)

https://saz-verlag.de/kommunale-klimapartnerschaft-mit-tarija-in-bolivien/ (Schweinfurter Anzeiger vom 03.05.2023)


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