Interview mit Botschafter Dr. José Schulz


Interview in der Deutschen Botschaft am 27.10.2022


MB: Sehr geehrter Herr Botschafter, seit August sind Sie der neue Botschafter in La Paz. Können Sie sich kurz der Deutschen Kulturgemeinschaft vorstellen?


Botschafter: Sehr gerne stelle ich mich der Deutschen Kulturgemeinschaft vor. Mein Name ist José Schulz, geboren am 10.07.1968 in Frankfurt am Main. Da meine Mutter aus Spanien kommt, hatte ich das Privileg, zweisprachig aufzuwachsen. Ihr verdanke ich auch meinen spanischsprachigen Vornamen. Mein Vater war wie ich auch in verschiedenen Ländern tätig, jedoch nicht als Diplomat, sondern im Wirtschaftsbereich für das Chemie- und Pharmaunternehmen Hoechst. Somit habe ich als Kind die Deutschen Schulen in Guatemala und Cali besucht. Mit neun Jahren ging es dann zurück nach Deutschland, in meine Heimat nach Oberbayern in den Chiemgau. 


An mein Abitur fügte sich die Bundeswehrzeit in Bischofswiesen an. Nach dem BWL-Studium an der Universität Passau und einem Auslandssemester als Erasmus-Student in Barcelona schloss ich ein Promotionsstudium am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Geld- und Außenwirtschaft an; mit dem Abschluss Doktor der Wirtschaftswissenschaften. 

Mein weiterer Weg in der freien Wirtschaft war, auch durch zahlreiche Praktika bei Unternehmen und Banken im In- und Ausland während der Semesterferien, fast vorgezeichnet, allerdings bewarb ich mich auch beim Auswärtigen Amt für die Diplomatenlaufbahn. Unter 2.000 Bewerber:innen wurden neben mir acht weitere  ausgewählt – eine Chance, die ich nicht ungenutzt lassen wollte: Seit 1997 bin ich für das Auswärtige Amt tätig. 

Im Inland verantwortlich für die Referate Energieaußenpolitik und anschließend Humanitäre Hilfe, führten mich meine Auslandsstationen nach Mexiko-Stadt, Washington und New-Delhi. 

Nachdem meine drei Kinder das Abitur in Berlin abgeschlossen haben und nun in verschiedenen Ländern studieren und leben, bin ich seit August 2022 Deutscher Botschafter hier in Bolivien. 


MB: Dies ist "Cambchen", das Schulmaskottchen. Es ist erst wenige Monate alt und im Namen der Schulgemeinschaft, möchten wir Ihnen dieses Maskottchen überreichen. Sie können die Charakterzüge schon erkennen: Fröhlichkeit, Leichtigkeit, Freude am Leben, Blick aus der Vogelperspektive.

Erkennen Sie einige dieser Charaktereigenschaften auch bei sich?


Botschafter: Im Auswärtigen Dienst ist die Vogelperspektive eine große Hilfe: Vieles kann man so besser einordnen und einschätzen.

Generell bin ich Optimist und ein fröhlich gesinnter Mensch; diese Eigenschaft bringe ich aus Bayern und aus Spanien mit. Als Teamplayer arbeite ich mit meinem tollen Botschaftsteam sehr gerne zusammen: Optimistisch, aber auch ernsthaft gegenüber anstehenden Aufgaben.  


MB: Botschafter zu werden - war das Ihr Berufswunsch?


Als es zum Auswärtigen Amt ging, war das Ziel natürlich schon, irgendwann Botschafter zu werden. Dies ist auch bei den meisten meiner Kolleg:innen im höheren Auswärtigen Dienst das Ziel. Ob es klappt, ist natürlich nicht garantiert.


MB: Was sind die Hauptaufgaben eines Botschafters?


Botschafter: Die Hauptaufgaben eines Botschafters sind es, möglichst viele Kontakte zur jeweiligen Regierung aufzubauen und zu pflegen. Ende September war ich zum Antrittsbesuch bei Präsident Luis Arce: Erst damit war ich offiziell im Land und konnte nach außen als Botschafter auftreten. Neben Tätigkeiten im politischen Bereich ist auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Bolivien von großer Bedeutung; mit Außenminister Mayta stehe ich in regelmäßigem Kontakt. Dabei werden auch Themen angesprochen, bei denen die Meinungen auseinander gehen… Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang, dass Bolivien ein enger Freund Deutschlands ist. Im Interview mit der Zeitung El Deber habe ich darauf bezogen beispielsweise gesagt: „98 % sind ja gut und unter Freunden kann man auch die anderen 2 % ansprechen."


MB: Kontakte und Netzwerke sind für Ihre Arbeit also offensichtlich entscheidend. Welche sind besonders wichtig und wie baut man sie auf?


Botschafter: Die Tätigkeiten eines Botschafters zu Beginn seines Aufenthaltes in einem neuen Land sind immer von networking geprägt. Zunächst gilt es, die deutschen Institutionen im Land kennenzulernen und hier in Bolivien ist die Palette mit Schulen, Goethe-Institut, Auslandshandelskammer, politischen Stiftungen, DAAD etc. ja sehr komplett. Auch bedeutet es, die EU-Vertretung und die anderen Botschafter:innen kennenzulernen. Dann geht es weiter zu Antrittsbesuchen in andere Städte: In Santa Cruz war ich schon, nun folgt Tarija, dann Cochabamba - zunächst also die Städte, in denen Deutschland auch über Hononrarkonsul:innen vertreten ist. 

Nach zwei Wochen vor Ort stand bei mir mit Bundesministerin Schulze auch gleich hoher Besuch an. Der Einstieg war also intensiver, als dies normalerweise der Fall ist. Mir aber ist das lieber so, denn auf diese Weise entstehen gleich viele nützliche Kontakte. Erst jetzt kommt der Alltag - und das Auto: Ich warte noch auf das Diplomatennummernschild. 


MB: Zitat von Ihnen: "Deutschland und Bolivien haben die geografische Distanz überwunden und ihre Freundschaft zeigt sich in allen Bereichen der Gesellschaft. Lassen Sie uns diese enge Verbindung weiter pflegen, um gemeinsam die weltweiten Herausforderungen anzugehen." Wie haben wir uns das vorzustellen? Wie könnten diese Verbindungen konkret aussehen?


Botschafter: Deutschland hat die größte internationale Handelskammer (AHK) innerhalb Boliviens. Es gibt viele deutsche Institutionen im Land und eine große Zahl deutscher Einwanderer. Es bestehen rege Kontakte über Städtepartnerschaften. Geographisch ist Bolivien zwar weit von Deutschland entfernt, die gefühlte Distanz verkürzt sich jedoch, da Deutschland in Bolivien sehr präsent ist und Bolivien auch in Deutschland präsenter wird. Das lässt sich schon allein daran ausmachen, dass Bolivien mehrere Jahre nur mit einem Geschäftsträger in der Botschaft in Berlin vertreten war, aber seit drei Tagen nun wieder mit einem neuen Botschafter vertreten ist.


MB: Hatten Sie schon in der Vergangenheit Verbindungen nach Bolivien?


Botschafter: Als Expat-Kind in Lateinamerika und mit spanischer Mutter waren natürlich die Beziehungen zu und vor allem das Interesse an Lateinamerika immer da und eine Herzenssache für mich. Ich war kein Bolivienspezialist, aber als Diplomat ist man geübt darin, sich schnell einzuarbeiten und sich die anfänglich fehlende Detailkenntnis nicht anmerken zu lassen. (Lacht) 


MB: Jetzt, wo Sie es nun intensiver kennenlernen können: Was hat Sie an Bolivien bisher beeindruckt?


Botschafter: Vor allem die extremen Unterschiede. Das Image von Bolivien in Deutschland ist natürlich klassisch andin mit Lama und Hochland - das spiegelt sich ja auch auf unserer Homepage mit Lama und Brandenburger Tor wider. Aber es fasziniert mich, dass es eigentlich mehrere “Boliviens” gibt, eben auch den in Deutschland weniger bekannten tropischen Teil. Hoffentlich kann ich bald einmal mit dem Auto unterwegs sein, um so noch mehr vom Land persönlich kennenzulernen.  Entsandte wie Sie, die schon lange hier leben, kennen aber selbstverständlich weit mehr von Bolivien und seiner Kultur.

Aber auch hinsichtlich der beruflichen Kommunikation beeindruckt mich Bolivien: Nach Jahren des Mailens in der Zentrale muss ich mich nun daran gewöhnen, 

mit Kolleg:innen und counterparts per WhatsApps zu kommunizieren. 

Kurz gesagt: Schönes Land, freundliche Menschen, lockerer Umgang. 


MB: Sie waren auch Leiter des Referats für Energieaußenpolitik und Dekarbonisierung. Dieses Thema ist auch für Bolivien sehr interessant. Die Lithiumvorkommen hier in Bolivien sind die wohl weltweit größten. Hat Deutschland in Zukunft Chancen, sich im Rahmen einer deutsch-bolivianischen Kooperation am Lithiumabbau zu beteiligen oder gibt es bereits Projekte?


An der aktuellen Ausschreibung für die Lithiumförderung mittels neuer Verfahren ist Deutschland nicht mehr beteiligt. Sollte dieses Verfahren aber weiterverfolgt werden, könnte die Tür für deutsche Unternehmen wieder offenstehen. Natürlich ist auch Energiepolitik Außenpolitik – das sieht man derzeit an dem Konflikt mit Russland und dem Ende von Nordstream2 ganz deutlich und so sind wir auch zu diesen Themen mit der bolivianischen Regierung in Kontakt. Für eine erfolgreiche Energiewende ganz entscheidend ist der Verkehrssektor: Hier werden künftig viel mehr und leistungsstärkere Batterien benötigt und dazu bedarf es Lithium.


MB: Wie sieht es mit Entwicklungszusammenarbeit von deutscher Seite bezüglich der Wind- und Solarkraft aus?


Botschafter: Das Thema der erneuerbaren Energien, besonders Wind- und Solarkraft, möchte ich hier vorantreiben. Ich denke dabei an Kooperationen mit deutschen Firmen. Aus meiner ehemaligen fünfjährigen Arbeit als Leiter des Referats für Energieaußenpolitik und Dekarbonisierung bestehen noch gute Kontakte, die in diesem Bereich nützlich sein könnten. Und diese Zusammenarbeit soll natürlich von beiderseitigem Nutzen sein: Für deutsche und bolivianische Firmen. 

Eine Energiewende kann nur funktionieren, wenn man daraus ein Geschäftsmodell macht. Je mehr regenerative Energien hier in Bolivien genutzt werden, desto mehr Gas kann exportiert werden und somit kann Bolivien unabhängiger agieren. 


MB: Sie haben für das Auswärtige Amt auch in sehr risikoreichen Regionen gearbeitet, zum Beispiel als Leiter des Pakistan-Teams (2014-2015). Haben Sie auch gefährliche Situationen erlebt?


Botschafter: Ich war nicht in Pakistan auf Posten, sondern in der Zentrale für Pakistan zuständig, allerdings mit regelmäßigen Reisen dorthin. Vor gefährlichen Situationen kann man sich zum Beispiel schützen, indem man mit gepanzerten Fahrzeugen fährt und auch Begleitschutz hat. Dies war in Pakistan der Fall und ist dort auch so vorgesehen. Zum Glück gab es während meiner Reisen keine wirklich gefährliche Situation. Hier in Bolivien bin ich sehr froh, ohne großen Sicherheitsaufwand meine Tätigkeit als Botschafter ausüben zu können. 


MB: Wer war die berühmteste Person, der Sie einmal begegnet sind?


Botschafter: In meiner Laufbahn lernt man viele Politiker:innen dienstlich kennen. Unseren Bundespräsidenten Steinmeier kenne ich sehr gut, da ich mit ihm schon zusammengearbeitet habe, als er noch Außenminister war. Dazu lernt man natürlich Personen besser kennen, wenn man ihre Delegationen zu Treffen begleitet, Angela Merkel oder Gerhard Schröder zum Beispiel.

In Mexiko-Stadt bin ich häufiger dem ehemaligen Bürgermeister und heutigen Präsidenten, López Obrador, begegnet. Als ehemaliger Leiter des Referats für Presse, Information und Public Diplomacy in Washington habe ich George Bush Junior im Oval Office kennengelernt. Dort bin ich in der deutschen Botschaft auch Dirk Nowitzki begegnet, ein Sport-Superstar, der dennoch sehr bescheiden geblieben ist. Buzz Aldrin, zweiter Mensch auf dem Mond, durfte ich ebenfalls in Washington kennenlernen. 


MB: Sehr geehrter Herr Botschafter, vielen Dank für das Interview.


Anm. Redaktion:

Das Interview mit Botschafter Dr. José Schulz fand am 27.10.2022 statt. Zwischenzeitlich ist sein Fahrzeug mit einem Diplomaten-Kennzeichen ausgestattet und er hatte bereits die Gelegenheit, damit während des Besuches seiner Kinder den einzigartige Salar de Uyuni zu bereisen.

Außerdem wechseln die Bilder auf der Website mittlerweile monatlich, um ein diverseres Bild von Bolivien und Deutschland darzustellen.






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